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Neu: Ernährungsteam an der Kreisklinik Ebersberg


Bessere Heilungschancen

Dr. Daniel Plecity und Prof. Thomas Bernatik
Dr. Daniel Plecity (li.) und Prof. Thomas Bernatik (re.)

Laut Studien leidet jeder vierte Krankenhauspatient unter Mangelernährung. Ursachen können zum Beispiel Tumorerkankungen mit starkem Gewichtsverlust sein, Schluckbeschwerden oder die Unfähigkeit, eigenständig zu essen. Daraus resultieren oft schlechtere Heilungschancen und eine höhere Komplikationsrate. An der Ebersberger Kreisklinik wurde im Sommer 2013 eine achtwöchige Analyse bei allen neu aufgenommenen Patienten durchgeführt. Das Ergebnis: Jeder fünfte stationäre Patient war neben seiner Grunderkrankung mangelernährt. Schnell waren sich der Initiator Dr. Daniel Plecity, Oberarzt in der Inneren Medizin, und sein Chefarzt Prof. Dr. Bernatik einig, dass hier Handlungsbedarf besteht. Sie etablierten das berufsgruppenübergreifende Ernährungsteam Ebersberg. Zielstellung und Aufgaben dieses Teams erläutern die beiden Ärzte im Interview mit der Journalistin Sybille Föll.

Dr. Plecity, was versteht man unter Mangelernährung?
Bei einer Mangelernährung muss man zunächst unterscheiden zwischen einem quantitativen Mangel, bei dem Energie- und Proteinreserven aufgebraucht sind, und einem qualitativen Mangel, was bedeutet, dass dem Körper lebenswichtige Bausteine fehlen wie Mineralstoffe, Spurenelemente oder Vitamine. Mangelernährung ist also nicht gleichzusetzen mit Unterernährung. Auch übergewichtige Menschen können darunter leiden. Ob eine Mangelernährung vorliegt, untersuchen wir jedoch nicht nur labortechnisch, sondern im ersten Schritt durch eine umfassende Anamnese sowie einem Scoring-System. Das bedeutet, die Patienten werden nach ihren Essgewohnheiten befragt: Was haben Sie in letzter Zeit gegessen, gibt es Unverträglichkeiten wie zum Beispiel gegen Gluten oder Lactose oder bestehen Lebensmittelallergien, um nur einiges zu nennen. Hieraus können wir erkennen, wo möglicherweise die Ursache liegt. Im einfachsten Scenario wird durch eine spezielle Diät oder spezielle Kost direkt mit der Therapie begonnen.

Wird bei jedem Patienten eine solche Anamnese durchgeführt?
Nein. Zunächst versuchen wir Risikopatienten herauszufiltern, die aufgrund ihrer Erkrankung besonders gefährdet sind. Das geschieht mit Hilfe eines Screenings, also eines Fragebogens, der von der Europäischen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt wurde (Nutritional Risk Screening). Er wird für jeden Patienten ausgefüllt, der aufgenommen wird. Jeder Risikofaktor wird mit einem Punkt bewertet. Bei einer bestimmten Punktezahl liegt mit großer Wahrscheinlichkeit eine Mangelernährung vor. Bevor wir das Ernährungsteam gegründet haben, haben wir zwei Monate lang ein Vorscreening durchgeführt. Das Ergebnis war, dass bei den über 70-Jährigen rund 25 Prozent unter Mangelernährung litten. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass sie oft nicht mehr eigenständig essen können. Sei es durch chronische Erkrankungen oder neurologische Probleme - wie nach einem Schlaganfall. Daher liegt unser Fokus auf diesen geriatrischen Patienten. Der Prozentsatz bei jüngeren Patienten oder solchen mit leichteren Erkrankungen ist deutlich geringer.

Welche Vorteile haben die Patienten durch eine Ernährungstherapie?
Viele klinische Studien belegen, dass dadurch infektiöse Komplikationen wie Pneumonien, Wundinfektionen oder auch Sepsis deutlich reduziert werden können.

Was ist nun die Aufgabe des Ernährungsteams?
Das Ernährungsteam klärt auf, sensibilisiert die Ärzte und Pflegenden und schafft bzw. bündelt die Strukturen. An erster Stelle steht das Screening, gefolgt von gezielter Diagnostik und der Erstellung eines Ernährungsplans. Danach werden die Umsetzung und das Ergebnis kontrolliert und gegebenenfalls Alternativmaßnahmen festgelegt. Dank der hervorragenden, hauseigenen Küche haben wir alle Möglichkeiten. Chefkoch Ludwig Grill und die ausgebildeten Diätassistentinnen verfügen über großes Know-how und bieten eine breite Palette an Kostformen, von Schonkost für Magenkranke bis hin zu speziellen Diäten. Und alles wird frisch zubereitet! Seit neuestem gibt es sogar eine vollständige Aufstellung aller Allergene und Zusatzstoffe, die in der Speisenversorgung verwendet werden. Falls die enterale Ernährung, also über den Mund, nicht mehr ausreicht, wird die parenterale, die Ernährung über die Vene, begonnen. Die Infrastruktur war also bereits da - bisher hat nur das Bindeglied unter ärztlicher Leitung gefehlt, also das Erkennen und Festlegen, bei welchem Patienten man gezielt mit der ein oder anderen Diät oder Zusatzernährung unterstützen sollte.

Wer gehört zum Ernährungsteam?
Ärzte und Pflegekräfte, der Küchenchef mit Diätköchen, Diätassistentinnen und die Diabetologie, da auch Diabetiker sehr oft an Mangelernährung leiden. Die Logopädie ist verstärkt mit eingebunden, da Patienten auf der Tempis-Schlaganfallstation und geriatrische Patienten mit dem Schluckakt Probleme haben und Störungen entwickeln.

Prof. Bernatik, wie ist der Stand des Projekts?
In der Anfangsphase haben wir vor allem die Patienten in der Inneren Medizin und der Intensivmedizin einbezogen, aber wir wollen das Konzept auch auf die Chirurgie und die weiteren Abteilungen der Kreisklinik ausweiten. Die Ärzte und Schwestern sollen schnell in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich Mangelernährung bei Patienten zu kompensieren, so dass das Ernährungsteam nur noch in kritischen Fällen hinzugezogen wird. Zum Beispiel, wenn eine Ernährung über den normalen Verdauungstrakt nicht möglich ist und eine künstliche Ernährung über eine Sonde oder direkt über die Venen erforderlich ist. Besonders stolz sind wir darauf, dass die Kreisklinik Ebersberg seit Januar an einer europaweiten Studie zum Thema Mangelernährung bei Tumoren des Magen-Darm-Traktes teilnehmen kann – als eine von nur vier Kliniken bundesweit und zwölf Kliniken europaweit! Dies ist für uns zusätzlicher Ansporn und eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.


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