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Vorhofflimmern bedeutet Schlaganfallrisiko


Die Kardiologie der Kreisklinik Ebersberg bietet die Vorhofflimmerablation als modernes Behandlungsverfahren an

Vorhofflimmern bedeutet Schlaganfallrisiko
Priv.Doz. Dr. Martin Schmidt und Dr. Mathis Schlüter im Herzkatheterlabor. Zunächst wird mittels Kathetern die genaue Position geortet, von der eine elektrische Signalstörung ausgeht. Moderne bildgebende Verfahren sind dabei eine unverzichtbare Unterstützung. Foto: Alexander Zettl

Ebersberg, Oktober 2015 – Vorhofflimmern ist in Deutschland die am häufigsten auftretende Herzrhythmusstörung – insbesondere bei älteren Menschen. In den meisten Fällen wird medikamentös behandelt. Studien zeigen jedoch, dass eine Ablation, also das Veröden des verursachenden Herzmuskelgewebes, der medikamentösen Therapie überlegen ist. Die Kreisklinik Ebersberg bietet als einzige Klinik in der Landkreisumgebung, außerhalb Münchens, die Vorhofflimmerablation an. Wir sprachen mit dem Chefarzt der Kardiologie, Privatdozent Dr. Martin Schmidt.

Dr. Schmidt, wie entsteht Vorhofflimmern?
Nun, das Herz ist ein Muskel, der sich permanent zusammenzieht und wieder entspannt, um das Blut durch unseren Körper zu pumpen. Für diese Pumpfunktion ist ein Erregungsleitsystem verantwortlich: Im sogenannten Sinusknoten, einem speziellen Gewebe im rechten Herzvorhof, werden elektrische Impulse erzeugt, die über die Herzvorhöfe an die Herzkammern weitergesendet werden – bei einem gesunden Herzen regelmäßig 60 bis 100 Mal pro Minute.
Manchmal wird dieser regelmäßige Rhythmus durch vorzeitig einfallende, vor allem aus den Lungenvenen stammende Impulse gestört. Dementsprechend fängt der Herzschlag an zu „holpern“. Ursache für die Störung können Veränderungen des Muskelgewebes, insbesondere im linken Herzvorhof sein, bedingt zum Beispiel durch Vorerkrankungen wie Bluthochdruck oder koronare Herzkrankrankheit. Bei 20 % der Patienten mit Vorhofflimmern liegen allerdings keine Vorerkrankungen vor, hier ist die Ursache unklar.

Sind „Herzrasen“ oder ein unregelmäßiger Puls die einzigen Symptome?
Nein. Viele Betroffene klagen auch über Atemnot und Schmerzen in der Brust, manche werden sogar bewusstlos. Die meisten sind insgesamt in ihrer körperlichen Leistung geschwächt. Manche merken aber auch gar nichts. Die Symptomatik ist also individuell verschieden. Das Problem: Viele der Symptome lassen zunächst auch auf andere Erkrankungen schließen, zum Beispiel der Lunge.

Wie kann man dann ein Vorhofflimmern feststellen?
Man sollte beim Hausarzt ein EKG durchführen lassen, also ein Elektrokardiogramm, welches die Herzströme misst. Es ist aber möglich, dass das Ergebnis unauffällig ist, denn das Vorhofflimmern ist bei vielen Patienten nur vorübergehend, aber häufig wiederkehrend, vorhanden. Dann kann entweder ein Langzeit-EKG über 24 oder 72 Stunden gemacht werden oder der Arzt implantiert einen sogenannten Event-Recorder unter die Haut vor der Herzregion. Das Mini-Gerät kann den Herzrhythmus über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren aufzeichnen. Wichtig ist der Nachweis von Vorhofflimmern im EKG, um es von anderen Herzrhythmusstörungen abzugrenzen.

Ist Vorhofflimmern lebensbedrohlich?
Nicht direkt. Es gibt außerdem verschiedene Formen. Manchmal ist es nur ein vorübergehendes Phänomen, das harmlos ist, manchmal kommt es über Jahre hinweg immer wieder. Dann schränkt es nicht nur die Lebensqualität ein, sondern es besteht ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall. Im linken Vorhof, in den die Lungenvenen münden, befindet sich eine kleine Gewebeausstülpung - das sogenannte Vorhofohr. Dort können sich durch das gestörte Weiterpumpen des Blutes Blutgerinnsel bilden. Wenn sie sich lösen, schwimmen sie mit dem Transport des Blutes über die Herzkammer in die Hauptschlagader und von dort in den großen Blutkreislauf, der alle Organe – auch das Gehirn – mit sauerstoffreichem Blut versorgt.
Das Risiko für einen Schlaganfall ist beim Vorhofflimmern durchschnittlich um das Fünffache erhöht, im Einzelfall kann es sogar noch höher liegen. Laut großen Bevölkerungsstudien erhöht Vorhofflimmern auch das Risiko, früher zu sterben, etwa um das Doppelte.

Es sollte also unbedingt behandelt werden?
Ja. Standard ist die Gabe von blutverdünnenden Medikamenten, abhängig vom individuellen Schlaganfallrisiko. Ionenkanal-blockierende Medikamente, sogenannte Antiarrhythmika, können nur die Symptome lindern, nicht die Ursache beheben. Oft tritt das Vorhofflimmern weiterhin auf.
Die Folge ist, dass das Muskelgewebe im Herzvorhof durch die Störung immer mehr geschädigt wird und sich in Bindegewebe umwandelt. Es bildet narbenartige Verhärtungen, was wiederum die Funktion des Vorhofes beeinträchtigt und die Chance auf Heilung immer weiter senkt. Deshalb empfehlen heute auch die europäischen Leitlinien der Kardiologie eindeutig die Ablationsbehandlung mit Katheter für Menschen mit Vorhofflimmern und daraus resultierenden Beschwerden. Der Eingriff wird über die Leiste im Herzkatheterlabor der Klinik vorgenommen. Dabei wird das Muskelgewebe verödet, welches im Vorhof für die Störung der elektrischen Signale verantwortlich ist.

Wie funktioniert das?
In Ebersberg arbeiten wir mit einer der modernsten und schonendsten Methoden, der Kryoballon-Ablation. Dabei wird durch einen Katheter ein Ballonsystem geschoben, das mit zirka minus 80 Grad Celsius kaltem Lachgas gefüllt wird und die Kälte an das Gewebe überträgt. Jede Lungenvene wird an ihrer Mündung in den linken Vorhof für zweimal drei Minuten vereist und kann dann keine störenden Signale mehr senden.
Untersuchungen haben ergeben, dass etwa 80 % der auf diese Weise behandelten Patienten nach einem Jahr frei von Vorhofflimmern waren. Und: Es zeigten sich langfristig weniger strukturelle Veränderungen des Gewebes im Vorhof. Wichtig: Je früher die Ablation stattfindet, desto größer sind die Heilungschancen.

Wie lange dauern OP und Nachbehandlung?
Mit Voruntersuchung und Nachbeobachtung ist mit einem dreitägigen Klinikaufenthalt zu rechnen. Die OP selbst dauert etwa ein bis zwei Stunden. Der Patient merkt nichts davon, er wird mit Medikamenten in künstlichen Schlaf versetzt. Zu Hause muss er zirka noch drei Monate lang blutverdünnende Medikamente einnehmen, danach können diese bei einigen Patienten abgesetzt werden, die Antiarrhythmika sogar bei den meisten Patienten.

Das Gespräch führte Sybille Föll


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