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Blasenschwäche muss nicht sein


Möglichkeiten der Therapie in der Kreisklinik Ebersberg

Dr. Thomas Krapp

Ebersberg, März 2016 – Laut Statistik des Bundesgesundheitsministeriums leiden in Deutschland rund sechs Millionen Frauen unter Blasenschwäche, bei den über 65-Jährigen ist es jede Dritte. „Die tatsächlichen Zahlen dürften noch höher liegen, denn Inkontinenz ist nach wie vor ein Tabu-Thema“, weiß Dr. Thomas Krapp, Oberarzt in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe der Kreisklinik Ebersberg. Sie werde einfach hingenommen, trotz geringerer Lebensqualität. Dabei könnte 80 Prozent der Frauen geholfen werden, so der Experte. Wie, erläuterte Dr. Krapp in einem Gespräch.

Dr. Krapp, haben alle Betroffenen die gleichen Beschwerden?
Nein, die Symptome sind unterschiedlich. Die sogenannte Dranginkontinenz etwa äußert sich durch einen plötzlich auftretenden, starken Harndrang. Der Urin kann dabei nicht bis zum Aufsuchen der Toilette zurückgehalten werden. Bei der Belastungsinkontinenz kommt es zu unfreiwilligem Urinverlust, zum Beispiel beim Niesen, Husten oder bei schwerer, körperlicher Belastung. Diese beiden Formen sind die Häufigsten, oft treten sie in Kombination miteinander auf. Daneben gibt es noch andere Formen der Inkontinenz, die vom „Überlaufen“ der Blase bis hin zum völligen Kontrollverlust über die Entleerung der Blase reichen.

Welche Ursachen gibt es für eine Blasenschwäche?
Nun, zunächst sollte man wissen, dass die Erkrankung eine Störung in dem komplexen Zusammenspiel von Harnblase, Harnleiter, Harnröhre und Beckenbodenmuskulatur ist. Dazu kann es kommen, wenn zum Beispiel die Beckenbodenmuskulatur nicht kräftig genug ist, um dem Blasendruck bei schweren, körperlichen Belastungen oder chronischem Husten standzuhalten. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht, eine Bindegewebsschwäche und Verletzungen wie zum Beispiel ein Riss in der Beckenbodenmuskulatur bei der Geburt eines Kindes. Im Alter kommt Östrogenmangel hinzu, oft ist die Inkontinenz dann auch mit einer Senkung der Gebärmutter und der Harnblase verbunden. Daher ist die Erkrankung nicht nur ein urologisches, sondern auch ein urogynäkologisches Thema. Weitere Ursachen können neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson oder ein Schlaganfall sein, aber zum Beispiel auch Harnwegsinfekte.

Wie kann der Arzt die Ursache finden?
Für die Diagnosefindung braucht es Zeit. In der Gynäkologie der Kreisklinik Ebersberg vereinbaren wir daher mit der Patientin nach der Erstvorstellung meist einen Folgetermin. Im ersten Gespräch wird die Patientin gebeten, ihre subjektiven Symptome zu schildern. Wir geben ihr ein sogenanntes Miktionstagebuch mit nach Hause, in das sie über drei Tage hinweg die Menge ihrer Flüssigkeitszufuhr und ihres Harnabgangs einträgt sowie die Uhrzeiten, wann sie Harndrang verspürt und wann ein unfreiwilliger Harnverlust eintritt. Aus beidem erhalten wir oft schon gute Anhaltspunkte für eine Diagnose. Beim zweiten Termin führen wir neben einer umfassenden, gynäkologischen Untersuchung eine Introitus-Sonografie durch, also einen Ultraschall der Blase und Harnröhre. Zur Differenzierung, ob es sich um eine Belastungs- oder Dranginkontinenz handelt, kann außerdem eine Blasendruckmessung durchgeführt werden. Dabei wird mit Hilfe eines speziellen Blasenkatheters die Blase mit Wasser gefüllt, währenddessen fordern wir die Patientin auf, zu husten. Das Ergebnis wird in Form eines Kurvendiagramms auf dem Computer bildlich dargestellt und zeigt uns an, um welche Form es sich handelt.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für eine Inkontinenz?
Das kommt ganz auf die Ursache an. Ist die Blasenschwäche Folge einer anderen organischen oder neurologischen Erkrankung, muss diese von einem entsprechenden Facharzt behandelt werden. Harnwegsentzündungen lassen sich gut mit Antibiotika therapieren. Für die Belastungsinkontinenz ist meist eine schwache Beckenbodenmuskulatur verantwortlich und wir empfehlen der Patientin ein Beckenbodentraining. Die Kreisklinik Ebersberg arbeitet hier mit einem Unternehmen zusammen, das ein professionelles Beckenbodentraining mit Elektrostimulation und Biofeedback anbietet. Mit Hilfe einer Vaginalsonde kann der Druck beim Anspannen des Beckenbodens festgestellt und somit geprüft werden, ob das Training korrekt ausgeführt wird. Bei Frauen, die sich in den Wechseljahren oder nach der Menopause befinden, empfehlen wir zusätzlich, lokal eine östrogenhaltige Salbe oder Zäpfchen anzuwenden. Bei der Dranginkontinenz hilft diese Östrogenisierung ebenfalls gut. Außerdem gibt es die Möglichkeit, medikamentös den Harndrang zu unterdrücken, allerdings sind die Nebenwirkungen des Medikaments sehr hoch.

Gibt es auch operative Möglichkeiten?
Im Fall einer Belastungsinkontinenz kann ein spannungsfreies Band – ein sogenanntes tension-free-vaginal-tape (TVT) – unter der Harnröhre angebracht werden. Bei Druck auf die Blase, zum Beispiel beim Husten, stützt es die Harnröhre und verschließt sie. Wir schöpfen aber lieber erst alle konventionellen Therapien aus, bevor wir zu operativen Verfahren übergehen – vorausgesetzt, die Patientin ist damit einverstanden.

Das Gespräch führte Sybille Föll


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