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Würdig leben bis zuletzt


Palliativ-Team der Kreisklinik Ebersberg hilft, mit der Krankheit zu leben

Palliativ-Team der Kreisklinik Ebersberg hilft, mit der Krankheit zu leben
V. li.: Dr. Barbara Eßer und Dr. Anna Bresele in einem der wohnlich eingerichteten Patientenzimmer. Foto: kk/sf

Ebersberg, November 2016 – Seit 2012 ist Palliativmedizin fester Bestandteil des Medizinstudiums, vor rund einem Jahr hat der Deutsche Bundestag das Palliativ- und Hospizgesetz verabschiedet - Zeichen, wie wichtig das Thema, unheilbar kranken Menschen die verbleibende Lebenszeit zu erleichtern, inzwischen geworden ist. Was kann die Palliativmedizin heute leisten? Wir sprachen mit den Ärztinnen der seit November unter Leitung von Chefarzt Prof. Thomas Bernatik stehenden Palliativstation in der Kreisklinik Ebersberg, der Fachärztin für Palliativmedizin und Anästhesie Dr. Anna Bresele und der Fachärztin für Palliativ- und Innere Medizin Dr. Barbara Eßer.

Viele Patienten denken, sie kommen auf die Palliativstation, um dort zu sterben. Ist das so?
Dr. Eßer: Nein! Unser primäres Ziel ist es, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und ihnen zu helfen, bestmöglich mit ihrer Krankheit zu leben. Das gilt auch für diejenigen Menschen, die ihre letzten Tage auf der Station verbringen.
Im Schnitt bleiben die Patienten zehn Tage bei uns und kehren oft - je nach Situation - nach Hause oder ins Pflegeheim zurück. Dort werden sie durch die Hausärzte betreut, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Bei Bedarf können wir zusätzlich die Ärzte und Pfleger der vor drei Jahren im Landkreis Ebersberg etablierten Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) hinzuziehen, zu denen wir ebenfalls einen sehr guten Kontakt pflegen. Manche Patienten haben so noch eine gute Zeit, manchmal über Monate. Brauchen sie mehr medizinische Hilfe, vermitteln wir auch Weiterbetreuung in einem der Münchner Hospize.

Welche Möglichkeiten haben Sie als Palliativmedizinerin, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern?
Dr. Bresele: Nun, die Patienten leiden je nach Erkrankung an verschiedenen Symptomen, von Schmerzen über Übelkeit bis hin zu Atemnot und Schluckstörungen. Bei allen Symptomen steht die schulmedizinische, medikamentöse Therapie im Vordergrund. Unterstützend wenden wir alternative Behandlungsmethoden an, etwa die Aromatherapie mit Zitronenöl bei Übelkeit oder Lavendel bei Schlafstörungen. Sehr wichtig ist die psychologische Betreuung. Frau Dr. Eßer und ich haben dafür eine spezielle Ausbildung absolviert. Im Team ist außerdem eine Psychoonkologin tätig.
Dr. Eßer: Die Menschen, die zu uns kommen, stellen sich viele Fragen, die mit "Warum?" beginnen - "warum gerade ich" zum Beispiel, und sie haben Angst. Nicht nur vor dem Tod, sondern mehr noch davor, was sie bis dahin an Leiden erwartet oder einfach vor dem Ungewissen. Von unserer Seite besteht immer ein Gesprächsangebot. Einige Patienten möchten nicht viel reden, andere nehmen das Angebot gerne an. Manche Ängste können wir nehmen, etwa die Angst vor Schmerzen - uns stehen heute sehr gute und differenzierte Möglichkeiten der medikamentösen Schmerztherapie zur Verfügung.
Die Fragen nach dem "Warum" können wir nicht beantworten, aber wir können fragen: "Wozu? Wozu fordert mich die Situation heraus? Wie kann ich das Beste daraus machen?"

Welche Hilfen erhalten die Patienten außerdem?
Dr. Bresele: Zum Beispiel Krankengymnastik. In unserem Team arbeiten Physio- und Ergotherapeuten, die eine palliative Ausbildung haben und sich intensiv mit den Patienten beschäftigen. Jeder körperliche Fortschritt ist auch motivierend, etwa, wenn ein bettlägeriger Patient wieder - und sei es nur kurz - aufstehen kann. Durch Atemtherapie lernen Patienten, mit Atemnot besser umzugehen, wie sie gegensteuern können, damit die existentielle Angst gemindert wird.
Alle Eindrücke und Erfahrungen, die wir, unsere Therapeuten, die Palliativ-Care-Schwestern und Pfleger mit den Patienten sammeln, werden täglich gemeinsam besprochen, danach planen wir die weiteren Therapiemaßnahmen. So erhält jeder Patient individuell die für ihn beste Versorgung. Einmal pro Woche kommen auch Sozialarbeiter der Klinik und Mitglieder des Ebersberger Hospizvereins hinzu.

Hat sich bezüglich Alter und Erkrankungen der Patienten in den letzten Jahren etwas geändert?
Dr. Bresele: Seit fünf oder sechs Jahren nehmen wir bei bestimmten Indikationen Patienten mit fortgeschrittener Demenz auf. Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt zu, weil die Menschen immer älter werden. Die Folgen sind eine sukzessive Abnahme der Körperfunktionen, im fortgeschrittenen Stadium treten oft Schluckstörungen auf. Studien haben gezeigt, dass eine künstliche Ernährung über eine Magensonde (PEG) mehr schadet als nützt und die Lebensdauer nicht verlängert. Oft fällt dadurch auch die menschliche Zuwendung bei der Unterstützung der Nahrungsaufnahme weg, so dass der soziale Kontakt eher weniger wird.

Intensive Betreuung ist also das Wichtigste in der Palliativmedizin?
Dr. Eßer: Ja, nicht nur der Patienten, sondern zugleich der Angehörigen. Sie tun sich mitunter noch schwerer als der Kranke selbst. Wenn sie sich jedoch gut aufgehoben fühlen, geht es auch den Patienten besser. Wir versuchen zusammen mit den Angehörigen und allen Beteiligten einen Raum des Vertrauens aufzubauen, in dem sich die Patienten geborgen und sicher fühlen. Oft brauchen sie dann sogar weniger Schmerz- oder Beruhigungsmittel.

Wann kommt ein Patient auf die Palliativstation?
Die Patienten werden nach telefonischer Anmeldung von den niedergelassenen Ärzten eingewiesen oder sie werden von den Kliniken der Umgebung oder aus den anderen Abteilungen hier im Haus zu uns verlegt.

Das Gespräch führte Sybille Föll


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