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Nahrungsmittelunverträglichkeit oder Allergie


Atemtests können Diagnose sichern

Nahrungsmittelunverträglichkeit oder Allergie
Dr. Daniel Plecity (links) mit Prof. Dr. Thomas Bernatik, Chefarzt der Medizinischen Klinik I, bei einer Patientenfallbesprechung. Foto: Alexander Zettl

Ebersberg, Apríl 2020 – Völlegefühl, Hautausschlag, Durchfall: Nahrungsmittelunverträglichkeiten können belastende Symptome hervorrufen, bis hin zu heftigen Allergien. In manchen Fällen stecken auch schwere Erkrankungen hinter den Beschwerden. „Klinische Tests helfen, die Ursachen herauszufinden“, erklärt Dr. Daniel Plecity, Leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik I der Inneren Medizin und Leiter des Ernährungsteams Kreisklinik Ebersberg.

Was ist der Unterschied zwischen einer Lebensmittelunverträglichkeit und einer Allergie?
Eine Intoleranz gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen äußert sich darin, dass verschiedene Beschwerden wie etwa Juckreiz, plötzlich auftretende Hautausschläge, Koliken und Durchfall, Herzrasen oder Hustenreiz auftreten, abhängig von der zugeführten Dosis. Der Klassiker ist die Lactose-Intoleranz, bei der Betroffene nach dem Verzehr von Milchprodukten meistens ein Unwohlsein im Magen-Darm-Bereich verspüren. Lebensmittelunverträglichkeiten sind sogenannte nicht-immunologische Reaktionen, das bedeutet, dem Körper fehlen zum Beispiel Enzyme, ohne die er bestimmte Bestandteile in der Nahrung nicht verarbeiten kann. Dadurch werden die genannten Symptome ausgelöst. Allergien hingegen sind immunologische Reaktionen. Beim Verzehr bestimmter Lebensmittel wie etwa Erdnüssen oder Schalentieren – da reicht oft schon eine kleine Menge aus – schüttet der Körper Antikörper aus, die den vermeintlichen Feind bekämpfen, was wiederum die allergische Reaktion hervorruft.

Kann eine Nahrungsmittelintoleranz auch die Ursache für einen Reizdarm sein?
Prinzipiell ja, aber das können auch zwei völlig unterschiedliche Befunde sein. Daher sollte man Beschwerden gründlich untersuchen lassen. In diesem Jahr wird eine neue Leitlinie für das Reizdarmsyndrom erarbeitet. Demnach darf die Diagnose „Reizdarm“ erst gestellt werden, wenn alle anderen Erkrankungen oder Nahrungsmittelintoleranzen ausgeschlossen sind.

Wie kann man herausfinden, welche Lebensmittel nicht vertragen werden?
In der Kreisklinik stehen für die Diagnose an erster Stelle ein Gespräch mit dem Patienten sowie eine Ernährungsanamnese. Dazu muss der Patient einige Tage lang ein Ernährungstagebuch führen. Besteht die Vermutung, dass eine Lactose-Intoleranz vorliegt, führen wir einen Wasserstoffatemtest durch. Bei gesunden Patienten wird der Milchzucker durch Enzyme gespalten und so gut verdaut. Fehlen diese Enzyme, wandert die Lactose unverdaut in den Dickdarm, wird dort von Bakterien zersetzt. Dabei entsteht unter anderem Wasserstoff (H2), der über das Blut in die Lungen gelangt und abgeatmet wird. Den H2-Gehalt messen wir bei dem Test. Der Patient erhält 50 Gramm Lactose und pustet nach einer bestimmten Wartezeit in ein Gerät, ähnlich wie bei einer Alkoholkontrolle.

Was geschieht, wenn der Test auffällig ist?
Dann führen wir einen weiteren H2-Atemtest durch, diesmal mit einer Fructose-Lösung. Verträgt der Patient auch diese Zuckerart schlecht, folgt der Test mit normalem Haushaltszucker, also Glucose. Die Therapie bei Nahrungsmittelintoleranzen ist normalerweise ein Verzicht auf Lebensmittel, die entsprechende Substanzen enthalten. Wenn ein Patient jedoch keine Glucose verträgt, ist das ein Zeichen dafür, dass ein Ungleichgewicht im Mikrobiom herrscht. Das heißt, es besteht eine bakterielle Fehlbesiedelung des Darms und die Darmflora muss saniert werden. Oft wird ein Antibiotikum verabreicht, das die „falschen“ Bakterien im Darm zunächst zerstört, um anschließend durch eine angepasste Ernährung neue Bakterien anzusiedeln und so ein ausgeglichenes Mikrobiom herzustellen.

Welche Unverträglichkeiten können außerdem in der Klinik getestet werden?
Unter anderem eine Histamin-Unverträglichkeit, die mit Hilfe eines Bluttests nachgewiesen werden kann. Bei Verdacht auf eine Gluten-Unverträglichkeit wird neben einem Bluttest zusätzlich eine Magenspiegelung vorgenommen und es werden Proben aus dem Zwölffingerdarm entnommen, denn diese Erkrankung (Zöliakie) führt bei glutenhaltiger Ernährung langfristig zu einer Zerstörung der Darmzotten und einer chronischen Entzündung der Dünndarmschleimhaut.
Wird die Zöliakie nicht behandelt, besteht ein erhöhtes Risiko für ein Lymphom des Darmes (MALT). Bei der Beschwerdeabklärung sollte aber auch an klassische Erkrankungen wie die Magenschleimhautentzündung, Darmkrebs oder eine chronisch entzündliche Darmerkrankunge (Colitis ulcerosa, M. Crohn) gedacht werden.

Wie können Nahrungsmittelunverträglichkeiten entstehen?
Das ist ganz unterschiedlich. Bei den meisten Afrikanern ist eine Lactose-Intoleranz angeboren. Auch eine Gluten-Intoleranz ist meist angeboren, kann aber auch nach einem Infekt erworben werden. Andere Unverträglichkeiten entstehen im Lauf des Lebens, die Ursachen sind nicht bekannt.

Was kann man als Betroffener dagegen tun?
Die erste Therapie ist, entsprechende Lebensmittel zu meiden. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, eine Art Desensibilisierung durchzuführen. Dazu empfehle ich, sechs Wochen lang gluten- und lactosefreie Produkte zu essen und eine Low-FODMAP-Diät durchzuführen. FODMAP steht für Fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole. Lebensmittel, die diese Bestandteile enthalten, zum Beispiel Weizen, Blumenkohl oder Äpfel, produzieren bei der Verdauung mehr Gase als andere, die in der Liste als Low-FODMAP bezeichnet werden, etwa Kartoffel, Heidelbeeren oder Dinkel. Nach den sechs Wochen können langsam, in kleinen Dosen, andere Lebensmittel gegessen werden. Diese Diät wird auch Bestandteil der neuen Leitlinie für das Reizdarmsyndrom sein.

Das Gespräch führte Sybille Föll, Freie Journalistin


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